Autor | Journalist | Sprecher
VERÄNDERUNGEN (Auszug)
und warum wir uns damit so schwertun...
Es gab angeblich einmal diesen einen Indianer-Häuptling, der aus einem Flugzeug stieg. Es war seine erste Flugreise gewesen und er setzte sich aufs Rollfeld und saß und saß. Man fragte ihn, warum er denn da so rumsitzt? Er sagte: "Ich warte, bis meine Seele nachgekommen ist."
Ist es nicht auch so bei all unseren Veränderungen, die wir im Laufe des Lebens vornehmen?
Es geht schnell, sich einen neuen Haarschnitt zuzulegen, den Job zu wechseln, in eine andere Stadt zu ziehen aber es dauert ungleich länger, bis der Change verinnerlicht und angekommen ist in unserer Mitte und zu unserer neuen Wahrheit geworden ist.
Du kannst einen neuen Job anfangen, aber noch lange in den alten Arbeitsmustern stecken
Du kannst den Partner wechseln, aber noch in den alten Mustern hängen und dem „Alten“ nachtrauern. Du kannst anfangen, Sport zu machen, aber musst Dich jedes Mal enorm überwinden, Dich auf das Neue wirklich einzulassen.
Du bist noch drin, in der alten Mühle, in der alten Beziehung zu irgendwem oder irgendwas, weil sie Dich nach wie vor beschäftigen, auch wenn Du Neues begonnen hast.
Verändern heißt loslassen und umprogrammieren.
Und dazu braucht es Klarheit, sich anzugucken, was genau man loslassen und verändern möchte und warum. Den inneren Kern stülpen wir selten um, aber die Schichten drum herum sind ja oftmals das zu verändernde Problem, die eingeschliffenen Muster, die nicht geheilten Wunden und alten Narrative, die wir uns erzählen, und die uns so unvermittelt wieder in das Weltbild transportieren, das sich als Fluch und Segen zugleich um unsere Seele gelegt hat aufgrund von Erfahrungen und Erlebnissen.
Das Erlebte können wir nicht ändern - niemals. Also bleibt nur, wie wir damit umgehen wollen und versuchen wollen, uns so gut es eben geht davon zu befreien.
Oder es als so einschneidende Sache in unseren Kern hineinlassen und akzeptieren, dass es nun mal so ist und aufhören, damit zu hadern. Sich zu entscheiden, bzw. anzuerkennen, dass etwas nicht zu ändern ist, ist ja auch eine Veränderung einer Sichtweise, und ebenso erhellend und neuartig wie eine Veränderung selbst. In der Theorie...
Wie leicht wir über den Schatten springen, ist weniger Charaktersache, als ein Ergebnis unserer äußeren Kreise, und welche Macht die alten Muster und Narrative in uns haben.
Kinder sind nicht umsonst viel offener, was Veränderungen angeht, und integrieren sie mehr oder minder spielend. Ihr Leben besteht ja grundlegend all dem neu Gelernten und neu Erfahrenen, sprich aus Veränderungen.
Aus dem Hosenscheißer wurde ein Schüler, aus dem pickligen Pennäler ein junger Erwachsener. Aus dem Erwachsenen ein Elternteil oder auch nicht.
Und war jetzt jede Veränderung wirklich doof und ein unüberwindbares Hindernis?
Es könnte ja einfach mal gut werden...
Viel zu selten sagen wir uns diesen Satz, Und stehen selbst nach der Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss, trotzdem wie der Ochs vorm Berg.
Wir sind es als Erwachsene gewohnt, in unseren Strickmustern festzuhängen. Es ist auch bequem. Und die unerklärliche Angst davor, dass es gut sein könnte, sitzt tief.
In einer Situation stecken zu bleiben, fühlt sich ja vertraut an, wir spüren Leid und Schmerz
intensiver, selbst die Sehnsucht nach einem besseren, schöneren und freieren Sein fühlt
sich in der Unerfülltheit eben doch irgendwie gut an.
Wir kennen all die Vermeidung-Strategien, um den vertrauten Zustand des Leidens, den wir so gut kennen, und in dem wir uns so immens selbst fühlen können, nicht aufzugeben, obwohl unser Kopf und unser Herz genau das Gegenteil will. Wir finden immer wieder Gründe, es nicht zu tun, und uns nicht auf das Neue einzulassen, obwohl wir wissen, dass es besser wäre, und besser tun würde.
Das alte Narrativ, dass wir denken, dass wir enttäuscht werden, dass wir scheitern und oder es eventuell gar nicht verdient haben, verhindert, dass wir es in die Tat umsetzen.
Wir behindern uns selbst, dass wir uns die Freiheit nehmen, um uns das zu ermöglichen, was wir doch so wollen und uns eigentlich auch „zustehen“ würde. Irgendeinen Grund, um in den Kompromissen des zehrenden Jobs, der dahin plätschernden Partnerschaft oder unserer Einstellungen festzuhalten, finden wir kinderleicht. So lange, bis der Leidensdruck so groß wird, dass das Fass überläuft, dass die Blase platzt und das Handeln und Verändern ausweglos ist. Ein kleines bisschen schlechtes Gewissen macht sich da breit, als ob wir uns sogar rechtfertigen müssten, eine Zwangslage nicht auszuhalten und nicht widerstandsfähiger und härter zu sein. Nicht resilient genug? Auch wieder so ein blödes Narrativ. Und wir hadern mit dem Schicksal, wenn uns das Leben an einen Scheideweg bringt und uns eine Entscheidung aufnötigt. Und begreifen erst später, wie immens wichtig diese Lektion für uns war und wie lange wir unsere Grenzen eigentlich vernachlässigt und weggedrückt haben.
Dabei haben wir es doch alle verdient, uns fallen zu lassen in die Veränderung, die einen aus dem mehr oder minder tiefen Sumpf der Selbst-Kastrierung herausholt.
Befreit von dem Alten, offen für Neues, selbst wenn es scheitern sollte.
Was kann passieren? Dass wir schlimmstenfalls halt wieder in den Zustand des Leidens geraten, den wir doch so schätzen und der so kuschelig warm hält wie eine Decke, die wir eng fröstelnd um uns hüllen, die uns und unsere Wünsche und Bedürfnisse aber auch im wahrsten Sinne bedeckt hält?
Es sind, so habe ich für mich festgestellt, immer wieder die Geschichten, die wir uns erzählen, die uns hemmen - die Narrative, die eine immense Macht haben.
Wenn eine Trennung ansteht, reden wir uns ein, wir werden niemals mehr einen Partner finden, geschweige denn jemanden, der besser passt oder der Sex genauso gut ist, wenn nicht sogar viel besser. Beispiele gibt es dafür zu Hauf. Die Geschichte von der Einsamkeit,
des nicht geliebt werden, des Verlassen seins. Die Geschichte, dass wir etwas nicht schaffen können oder etwas nicht verdient hätten. Und und und...
Die Narrative zu durchbrechen ist die größte Herausforderung, wenn wir Veränderungen anstreben. Wenn uns bewusstwird, dass das alles nur Geschichten sind, die wir uns erzählen.
Und sie manchmal gar nicht real sind, sondern nur ein Bild auf die Welt, das wir kreieren von einer Situation, einer Zukunft oder von einem Menschen, vor allem von uns selbst.
Ängste und Sorgen sind auch nichts Anderes als Geschichten, die wir uns ausmalen und erzählen, wie sich etwas in der Zukunft anfühlen könnte, wie wir etwas erleben, aushalten oder mit etwas konfrontiert werden.
Ist es nicht komisch, dass wir oft mehr Angst haben, etwas zu verlieren statt etwas zu gewinnen? Und uns lieber oft die Geschichte des Scheiterns als die Geschichte des Triumphes erzählen?
Wir bleiben in den Kompromissen, weil wir uns erzählen, dass eh nicht besseres nachkommt.
Wir bleiben in einer Beziehung, weil wir uns erzählen, dass wir eh keinen Partner finden, der in allen Belangen besser zu uns passt.
Wir bleiben im Job, weil wir uns erzählen, dass wir ohne die Sicherheit zugrunde gehen und auf der Straße landen.
Kannste alles machen, dann bleibt’s halt kacke. Your choice, aber dann hör auf, andere mit den ewig gleichen Stories zu nerven.
ES KÖNNTE JA, NEIN, ES WIRD EINFACH GUT WERDEN...
Toni Froestl, Januar 2023