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AutorenbildToni Froestl

Erdung durch Wasser? Hä? Es funktioniert...


Starnberger See - Minus 3 Grad Außentemperatur

Eisbaden - ich finde den Begriff irgendwie verschwommen.

Es ist ja kein Baden, kein langes Wohlfühl-Verweilen. Eisschwimmen? Nö, denn dazu bin ich nicht lange genug im frostigen Wasser. Eistauchen wäre auch falsch, denn ich tauche nicht unter, beziehungsweise der Kopf und die Hände bleiben stets außerhalb des Wassers.


Also: einigen wir uns auf Winterbaden.


 

Vor ein paar Jahren habe ich das für mich entdeckt. Es gibt wie überall, wahre Gurus wie Wim Hoff, die minutenlang in eiskaltem Wasser verharren, schwimmen, atmen, meditieren und wirklich ans Unerträgliche gehen.

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, es gibt „Regeln“ und „Szene“-Empfehlungen: wie lange man bei welcher Außen- und Wasser-Temperatur drinbleiben sollte,

mit Mütze auf dem Kopf und Handschuhen,

mit und ohne Neopren-Socken oder einfach nackt.

mit Aufwärmen vorher, durch Joggen beispielsweise oder simpel so.

Viele Experten streiten sich darüber, wann es gesund, ab wann „ungesund“ sei... Wer ein wahrer „Eisbader“ ist und wer nicht. Soll jeder machen, wie er oder sie will. I don´t care.

 

Ich habe es getan: in zugefrorenen Seen, in der Isar, im Eisbach, am Nordkap Norwegens und steige diesen Winter täglich in meine „Badewanne“ auf der Terrasse – bei plus 10 und bei minus 10 Grad Außentemperatur. Mit zentimeterdicker Eisschicht um mich herum, oder nicht. Je nach Tagesform bleibe ich im Wasser, so lange es sich eben gut anfühlt oder maximal bis die empfindsamen Weichteile eines Mannes zu schmerzen beginnen.

 

Fakt ist: diejenigen, die es tun, bestätigen, dass es guttut, wirklich guttut.

Es wirkt bis auf Zellebene und die Mitochondrien – die Zell-Kraftwerke – werden angeregt.

Ob nun wissenschaftlich 100%ig bewiesen - es trägt dazu bei, auch die Immunabwehr des Körpers zu stärken. Zumindest habe ich seit Jahren keinerlei schweren Infekt eingefangen oder ausgebrütet. Obs damit allein zusammenhängt, weiß ich natürlich nicht. Aber ist es nicht so, dass so vieles, was „gesund“ ist, trotzdem irgendwie Überwindung kostet?

 

Vielleicht passiert das Gute auch einfach deswegen, weil es den Körper und den Geist aus der Komfortzone katapultiert.

Weil es jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung ist, die Kälte des Wassers anzunehmen,

sich zu zwingen, den Atem zu beruhigen, die Gedanken, die einem sonst pausenlos im Kopf herumschwirren, auszublenden und sich einzulassen und in sich hinein zu spüren.

Sich auf das Prickeln und die Nadelstiche auf der Haut zu konzentrieren, deren Intensität

mit dem Eintauchen erstmal wie ein Brett zuschlägt, sich abschwächt und dann wieder in Wellen anschwillt, bis man eben weiß: heute ist genug.

 

Es ist ein erfüllendes Ritual, um sich regelmäßig einerseits seinen Mut zu beweisen und den inneren Schweinehund zu bezwingen, um sich aber anderseits seiner Widerstands-Fähigkeit und seiner Grenzen bewusst zu werden.

Die Haut als die Begrenzung unseres Körpers spürt sie als Erstes, die unangenehme eisige Kälte, das schmerzhafte Piesacken und den Frontal-Angriff von außen, der uns völlig umhüllt und von allen Seiten auf uns einprasselt. Der uns für einen kurzen Moment den Atem raubt uns das Herz spürbar bis zum Hals schlagen lässt. Es erhöht die Frequenz und die Schlagzahl und pumpt wie verrückt, fast schon leicht panisch. Einen kurzen Augenblick lang: „Oh mein Gott, ich sterbe.“


So lange, bis unser Gehirn erkennt und sagt: „Hey, gar nicht so schlimm... Du stirbst nicht sofort, es bringt Dich nicht um...also beruhige Dich und konzentrier Dich wieder“ und am Ende einfach nur Klarheit im Kopf entsteht.

Wie belastbar sind wir heute? Wie lange können wir die Attacken ertragen? Ab welchem Zeitpunkt fühlen wir uns unwohl? Wann ist genug und Schicht im Schacht?

Das Winterbaden ist damit auch eine Gesamtschau im Mini-Format, ein pars pro toto also, um zu wissen, wo man steht, wer man ist und was einem guttut.

Und so paradox es klingt: eine Erdung durch Wasser...

Belebend, erfrischend, Klarheit bringend und stärkend – eben nicht nur für den Körper.

Und dann ab in den Tag...

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